Markus Knöfler, designierter Geschäftsführer des neuen Medizinischen Versorgungszentrums mit hausärztlichem Schwerpunkt in Oberröblingen/Sangerhausen, hat eine sehr konkrete Vorstellung davon, wie man dem eklatanten Ärztemangel insbesondere in den ländlichen Gebieten Ostdeutschlands beikommen könnte: durch die Entwicklung von Primärarztzentren. Die jüngst übernommene Hausarztpraxis, die zukünftig in einem Verbund mit zwei weiteren Niederlassungen geführt werden soll, hat insofern Modellcharakter und steht für den dringend notwendigen Strukturwandel in diesem Teil der Republik.
Vereinzelung ist das Problem
Die Probleme im Osten Deutschlands sind historisch bedingt: durch die Schließung der Polikliniken nach der Wende waren die nun freigesetzten Ärzte gezwungen, sich mit eigenen Praxen selbständig zu machen. Diese – marktwirtschaftlich gewollte – Vereinzelung ist nun Kern des Problems. Es ist schlichtweg nicht attraktiv für Nachwuchshausärzte, das wirtschaftliche Risiko für eine Praxisübernahme zu tragen, und zugleich ihre berufliche und persönliche Zukunft in einer Region zu verorten, wo sich Fuchs und Hase buchstäblich gute Nacht sagen. Denn das Einkommen eines selbständigen Hausarztes ist – gemessen an Kollegen anderer Fachrichtungen – eher bescheiden, die Infrastruktur ist oftmals schlecht, der Patientenandrang groß und das Einzugsgebiet für Hausbesuche riesig. Kurz: viel Arbeit, wenig Geld. Die Folge: der ländliche Osten blutet aus, die medizinische Grundversorgung der Bevölkerung ist nur noch unzureichend sichergestellt. Und der notwendige Strukturwandel muss schnell vollzogen werden, denn in den nächsten fünf Jahren werden auch die letzten der jetzt noch praktizierenden Ärzte in den Ruhestand gehen – und spätestens dann wird das System in den betroffenen Regionen kollabieren.
Die Stiftung will mit der Einrichtung von Primärarztzentren diesem Trend entgegenwirken und Wegbereiter sein für einen Strukturwandel, der den ländlichen Osten wieder attraktiv für die Niederlassung von Hausärzten macht.
In einem Primärarztzentrum schließen sich mehrere Hausärzte – in der Regel also Allgemeinmediziner oder Praktische Ärzte – zusammen und betreiben gemeinsam eine Praxis. Neben dem Ziel, die medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen, haben diese Hausärzte eine weitere wichtige Funktion: sie sind gleichsam Lotsen, die ihre Patienten durch das Gesundheitssystem leiten. So erfolgt die Überweisung zum Facharzt immer über den Hausarzt, alle Fäden der medizinischen Behandlung eines Patienten laufen auf diese Weise bei ihm zusammen. Durch diese koordinierte Vorgehensweise lassen sich Behandlungsqualität und wirtschaftliche Effizienz deutlich erhöhen. Unnötige Arztbesuche und teure Doppeluntersuchungen werden vermieden, Medikationen besser aufeinander abgestimmt – ein Vorteil für alle Beteiligten. Zudem sind an ein solches Ärztezentrum weitere medizinische Dienstleister, wie zum Beispiel Physio- und Ergotherapie-Praxen, angeschlossen, was kurze Wege, einfache Terminabsprachen und mehr Bequemlichkeit für die Patienten bedeutet.
Viele Vorteile als angestellter Arzt
Sind niedergelassene Mediziner bisher klassische Freiberufler, so steht das Modellprojekt Sangerhausen auch in Hinsicht auf das ärztliche Arbeitsverhältnis für einen strukturellen Wandel: weg von der wirtschaftlich eigenständigen Einzelpraxis, hin zur (Team-) Arbeit im Angestelltenverhältnis. Denn in einem trägerfinanzierten MVZ genießen die begehrten Fachkräfte gleich mehrere Vorteile: Sie arbeiten nicht allein, sondern können sich fachlich austauschen. Sie arbeiten weitestgehend selbständig, ohne aber das wirtschaftliche Risiko tragen zu müssen. Die Verantwortung als Arbeitgeber und die damit einhergehende Verwaltungsarbeit entfällt. Und die Arbeit lässt sich besser auf mehrere Schultern verteilen, was hohe Patientenzahlen ermöglicht, ohne dass dabei die Familienfreundlichkeit und work-life-balance zu kurz käme – durchaus attraktive Konditionen also für Mediziner, die nicht die klassische Klinik-Karriere anstreben.
Das MVZ-Projekt wird von Markus Knöfler auf der Regionalkonferenz „DaSein – Gesund leben im Landkreis Mansfeld-Südharz“ am 31.05.2016 in Sangerhausen vorgestellt: